Venezianischer Salon

Max Reinhardt sah (…) in der Commedia dell’arte eine der wichtigsten Wurzeln des Theaters. (…) Reinhardts Vorliebe für die italienische Kunst des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts war bekannt, Leopoldskron ist dafür das beste Beispiel.

Der Venezianische Salon hat seinen Namen von den Tafeln an der Wand, die Szenen der Commedia dell'arte darstellen, einer einflussreichen Form des Wander- und Improvisationstheaters, die im 16. Jahrhundert in Italien entstand. Die Tafeln gelten allgemein als Kopien von Gemälden aus dem 18. Jahrhundert, die ursprünglich von Jean-Antoine Watteau (1684-1721) stammen. Reinhardt war ein großer Bewunderer der Commedia dell'arte, und die Gemälde waren eine wichtige Inspirationsquelle für seine Theaterarbeiten, darunter auch für die Promenadenaufführungen, die er im Schloss Leopoldskron inszenierte. Er installierte die Wandtafeln bei der Renovierung des Schlosses im Jahr 1930. Zu Reinhardts Zeiten diente das Venezianische Zimmer als seine Musikstube.

Die vergoldeten Paneele dienten als Inspiration für das Bühnenbild des Ballsaals im Haus der Familie von Trapp in dem 1965 Film The Sound of Music.

Commedia dell'arte

Die theatralische Kunstform Commedia dell'arte entstand zu einer Zeit, als Venedig das Zentrum des kulturellen Austauschs und der Entwicklung war. Der Commedia-Experte Didi Hopkins meint: "Die Künstler positionierten ihre Vorstellungen darüber, wer sie im Verhältnis zur Welt waren, neu, weil der Planet auf neue Weise entdeckt wurde. Die Commedia entstand vor dem Hintergrund dieser Neugierde". Diese Neupositionierung stützte sich auf die lange Tradition der Masken in Venedig, die es ermöglichten, jemand anderes als man selbst zu werden und eine Wiedergeburt im Einklang mit der größeren Renaissancebewegung zu erleben. Hopkins merkt auch an, dass die Commedia die Theateraufführung revolutionierte und demokratisierte, indem sie den Wert eines jeden Einzelnen symbolisierte, Teil der Menschheit zu sein und seine Geschichte zu erzählen.

Max Reinhardt liebte die Kunstform der Commedia dell’arte, des barocken Stegreiftheaters. Diese Liebe wurde schon in seiner Wiener Kindheit durch die Straßensänger und das Hanswursttheater geweckt. Das Kind hörte noch die Rufe der Straßenhändler, ob es nun Lavendelfrauen, Lumpensammler, Scherenschleifer, Maronibrater oder Würstelhändler waren. Es gab kaum einen Hof, aus dem nicht die zitternden Töne des alten „Werkel“ ertönten. Einzigartig waren die Volkssänger, in denen die Kunst der improvisierenden Komödianten weiterlebte.

Bis an sein Lebensende begleitete ihn die Erinnerung an dieses letzte Aufflackern der Commedia dell’arte. Das Bühnenspiel wird getragen von typischen Charakteren, den sogenannten Figuren oder ‚Masken‘, derer sich Reinhardt in einigen seiner Inszenierungen bediente.

Wie aus dem Regiebuch (…) ersichtlich ist, zeigt sich (…) die Grundidee des Regisseurs, hier alle Elemente des komödiantischen Theaters – Spiel, Wort, Musik, Tanz, scheinbare Improvisation und Pantomime – zu einem Gesamtkunstwerk zu verschmelzen.

Reinhardt sammelte wertvolle Bilder, Figuren und Bücher und brachte sie nach Leopoldskron.

Der Venezianische Salon gilt als eines von Max Reinhardts Meisterwerken und entstand in den 1920er-Jahren. Der Venezianische Salon war ursprünglich das Musikzimmer mit rot lackiertem Steinway-Flügel, wo Reinhardts erste Theater- und Commedia-Bilder in Stuck eingelassen waren. Figuren von Tänzern, Gauklern und Komödianten standen auf Konsolen. Nach den Filmarbeiten zum nie fertiggestellten Stummfilm über Therese von Konnersreuth 1928 schenkte die Schauspielerin Lillian Gish (1893–1993) Reinhardt das Gemälde des venezianischen Malers Pietro Longhi (1702–1785). 

Vom Schriftsteller Richard Beer-Hofmann (1866–1945) erhielt er wunderbare Harlekinbilder.

Der Stuck an der Decke sowie der Eckkamin stammen aus dem 18. Jahrhundert. 1929 erfüllte sich Reinhardt mit dem Kauf von original venezianischen Paneelen, Tapeten und Spiegeln einen Traum. Die Holz- und Spiegelarbeiten an den Wänden kommen ursprünglich aus einem italienischen Palazzo und Reinhardt erstand sie auf einer Auktion in Berlin. Salzburger Kunsttischler Anton Widerin passten diese Werke später in den Raum zusammen mit wertvollen Stücken aus Reinhardts privater „Commedia dell’Arte“ Sammlung ein. Die wachsende Sammlung an kostbaren Bildern wurde bis zum Herbst 1930 exakt darin eingefügt. Widerins Bruder Guido zerbrach einen der geschliffenen historischen Spiegel, welcher bei der Fa. Lobmeyr in Wien neu angefertigt werden musste. Widerin hatte für sich eine genaue Dokumentation dieser Arbeiten angelegt, ein Zeugnis seiner großen Expertise
 
Die meisten der 35 Ölbilder besitzen keine Signaturen oder Datierungen. 

Der Wirkung der Bilder tut das jedoch keinen Abbruch. Sie strahlen Lebensfreude, Komik und Sinnlichkeit aus. (…) Arlecchino und Columbina, Dottore und Pantalone, Capitano und Zerbinetta, Pantalone, trotz seiner Gebrechen auf Liebespfaden, und immer wieder Harlekin. Es fällt auf, dass keine Kampfszenen dabei sind, Heiterkeit und Frohsinn dominieren.

Die Figur des Harlekins im typischen Flickenkostüm ist im mittelalterlichen Brauchtum noch mythologisch-dämonischen Ursprungs und verkörpert den Störenfried, den Schelm oder den vorwitzigen Moralisten. In mittelalterlichen und früh-neuzeitlichen Lebenswelten war diese Typologie absolut akzeptiert. Aus diesem Verständnis heraus interpretierten die Zuschauer seine schwarze Halbmaske oder sein schwarzgefärbtes Gesicht als Hinweis auf unlautere Absichten. Für uns Menschen des 21. Jahrhunderts wirkt diese Kunstform aus der Zeit gefallen; sie wirkt grenzüberschreitend und rassistisch (Mehr dazu: Protest im venezianischen Salon).

Zentral an der Kaminwand hängt die Kopie eines Triptychons ‚Harlekin, Pierrot und Scapin‘ nach einem Original von Jean-Antoine Watteau (1684–1721), das 1716–18 entstanden war. Da es schon zu seiner Entstehungszeit große Begeisterung entfachte, wurde es von Anfang an mehrfach kopiert. Die ausgezeichnete Kopie im Venezianischen Salon ist wahrscheinlich direkt nach dem Original gemalt worden. 

Die übrigen Gemälde zeigen Commedia-dell’arte Figuren sowie 5 Landschaftsbilder. Insgesamt 15 Blumenmotive stammen von Gusti Adlers Schwester Marianne.

Reinhardts größte Liebe gehörte aber jenen 16 Gemälden, die Gusti Adler 1930 in Rom entdeckt hatte. Knapp bevor die Scala sie kaufen konnte, erwarb Reinhardt sie um die damals enorme Summe von 54.000 Lire. Sie wurden in einem großen Saal in Leopoldskron gehängt. 

Von all seinen Bildern liebte er die Ferrettis am meisten. Diese größte abgeschlossene Serie von Commedia dell’arte-Gemälden war ihm eine stete Quelle der Inspiration und des ästhetischen Entzückens. Dabei wusste er (…) noch überhaupt nicht, dass die 16 unsignierten Bilder von Giovanni Domenico Ferretti stammen. Der Antiquar, der sie anbot, schrieb sie dem Venezianer Magiotto zu.

Sie wurden Reinhardt 1938 nach Hollywood, später nach Santa Monica, Kalifornien, nachgesandt. Heute hängen sie im John und Mabel Ringling Museum in Sarasota, Florida. Erst die dortigen Museumsexperten konnten zweifelsfrei klären, wer der Künstler dieser Bilder ist, und benannten die Serie ‚Die Missgeschicke des Harlekins‘, entstanden zwischen 1740 und 1760.

1950 verkaufte Gottfried Reinhardt zunächst 15 davon an das Ringling. Größtenteils renoviert, beeindrucken sie durch die Leuchtkraft ihrer Farben. 

Das 16. Bild (‚Harlekin als Amme‘) konnte 2012 erworben werden. 

Auch der kunstvoll gestaltete Holzfußboden entstand durch Reinhardts Hand. Hier zeigt sich zum Beispiel im Muster des Bodens seine Liebe zum Detail, denn dieses wird in den Kostümen der Harlekine weitergeführt. Im Zuge des Einbaus musste Reinhardt jedoch einsehen, dass er sich diesen Boden in der ursprünglich angedachten Ausführung eigentlich gar nicht leisten konnte, und daher wurde aus finanziellen Gründen etwas improvisiert. So wurde in der Mitte des Raumes ein ganz normaler Holzdielenboden verlegt, den Reinhardt – so wie wir es heute auch noch tun – einfach mit einem Teppich verdeckte.

Der Venezianische Salon besticht vor allem durch den wunderschönen Kerzenluster an der Decke. Da die Spiegelarbeiten das Kerzenlicht reflektieren, ist dieser Raum prädestiniert für romantische Candle-Light-Dinners (auch wenn aus feuerpolizeilichen Gründen echte Kerzen mittlerweile nicht mehr erlaubt sind und heute moderne LED-Kerzen verwendet werden).

75 Years in 12 Vignettes

With 75 years behind us and more than 40,000 Fellows in 170 countries, Salzburg Global obviously has many stories to tell. The following 12 vignettes have been selected not only for their ability to relate the history of the institution, but also to convey the unlikely symbiosis of a visionary enterprise, conceived at an American university that came to be situated in an eighteenth-century rococo palace in the heart of Europe with the goal of serving the global good.