Max Reinhardt Bibliothek

Max Reinhardt liebte es, die Zeit vom späten Abendessen bis zum frühen Morgen mit Gästen in der Bibliothek zu verbringen. Er strahlte Ruhe aus, war entspannt und beglückte seine Gesprächspartner mit seiner ungeteilten, warmherzigen Aufmerksamkeit. Er war hochkonzentriert, stellte Fragen und verströmte immer größeres Behagen, berichtete seine Gattin Helene Thimig (1889–1974).

An einem Abend im September 1930 war Carl Zuckmayer in der Bibliothek der einzige Gast. In der Nacht fragte ihn Reinhardt, woran er jetzt arbeite. Zuckmayer hatte Teile des „Hauptmann von Köpenick“ zwar schon im Kopf, aber noch kein Wort niedergeschrieben. Angeregt durch Max Reinhardts Zuwendung und aufmunterndes Interesse, fing Carl Zuckmayer an, Szene um Szene mit allen Figuren zu spielen. Es entstanden neue Situationen, Dialoge, Aktschlüsse – das Stück war da. Es hatte durch Reinhardts magisches Zuhören (…) Gestalt angenommen.

Das warme Holz der Bücherwände, ihre symmetrische Anordnung und die harmonischen Proportionen lassen in der Bibliothek eine Atmosphäre entstehen, die gute Gespräche ebenso fördert wie die gemeinsame Freude an Mitmenschen, Büchern, Musik und an den bildenden Künsten.

Reinhardt hatte die grandiose Klosterbibliothek von St. Gallen in der Schweiz gesehen. Sie wurde in den Jahren 1758 bis 1767 geschaffen und liegt im 1. und 2. Obergeschoß des damals ebenfalls neu errichteten Westflügels des St. Gallener Konvents. Sie war ihm unvergesslich geblieben. Jahre später erschuf er in Leopoldskron eine Bibliothek von gleichwertiger Harmonie. Sie diente aber nicht nur der Verwahrung seiner Bücher, sondern wurde für das Zusammensein mit Freunden so wesentlich, dass sie bis heute das Herzstück des Schlosses bildet.

Max Reinhardt gelang es, die Gesamtwirkung der Bibliothek von St. Gallen trotz anderer Raummaße und Lichtverhältnisse nach Leopoldskron zu übertragen. Diese beruht auf: 

  • den Proportionen und der Holztönung der Bücherregale sowie auf den vorgestellten Säulen mit ihren Kapitellen,
  • den konvexen und gegenläufig konkaven Schwüngen der Galerie und ihres luftigen Geländers sowie auf der Furniergestaltung an den Stirnseiten und
  • der Ausformung und dem Bildschmuck des flachen Spiegelgewölbes.

Die Leopoldskroner Bibliothek hat eine Innenbreite von 7,5 m (St. Gallen: 10 m) und eine Innenlänge von 15,8 m (St. Gallen: 28 m). Beide Bibliotheksräume sind auf die Längsachse symmetrisch ausgerichtet, aber St. Gallen ist langgestreckter als Leopoldskron. Auch die Lage der Fenster und ihre Anzahl unterscheiden sich wesentlich. Die Verwirklichung seiner Vision legte Max Reinhardt – wie auch bei seiner Bühnenarbeit – in die Hände starker Künstlerpersönlichkeiten: für die technische Planung war der anerkannte Berliner Architekt Alfred Breslauer (1866–1954) verantwortlich. Seine Assistenz übernahm der Bühnenbildner Ernst Schütte (1890–1951), den Reinhardt besonders schätzte. Max Reinhardt hielt in Skizzen fest, was ihm wichtig erschien und schrieb an Alfred Breslauer seitenlange Briefe. Max Reinhardt führte übrigens über zwei Jahrzehnte (ca. 1922–1943) ein Skizzen- und Ideenbuch, das hunderte Zeichnungen enthält, ein einzigartiges Dokument der visuellen, bildnerischen Gestaltungskraft Reinhardts aus seiner reifsten Lebensperiode (…..) hervorzuheben sind mehrere Entwurfsskizzen für die Bibliothek Leopoldskron (mit prächtigem Globus in der Raummitte). Der Umbau der Bibliothek fand in den Jahren 1926 und 1927 statt.

Vor dem Umbau waren hier zwei Räume mit je zwei Fenstern durch eine tragende Zwischenwand getrennt. In Nischen standen zwei grün glasierte und mit Bandelwerk ornamentierte große rechteckige  Kachelöfen. Die Decken dieser Räume waren mit geschwungenen leeren Rahmen stuckiert. Da die tragende Zwischenwand entfernt wurde, mussten aus statischen Gründen Eisentraversen eingezogen werden. Zusätzlich wurde der südwestliche Teil des an den Festsaal angrenzenden Servicebereiches als Arbeitszimmer in die Bibliothek integriert. Max Reinhardt wünschte sich einen direkten Zugang zu seinen Zimmern im Stockwerk oberhalb der Bibliothek, um nicht über das Stiegenhaus oder die Treppe der Dienerschaft gehen zu müssen. Der Zugang zu dieser Treppe ist hinter einer halbrunden Glastür mit falschen Buchrücken verborgen. Es gelang auch, ein ansprechendes Parkett aus dem nahen Schloss Ursprung zu erwerben und in der Bibliothek zu verlegen.


Zwei erfahrene Salzburger Stuckateure, Rupert Strasser und sein Sohn Albert, stuckierten die Decke. In Kartuschen kann man Darstellungen der Salzburger Festung, des Rossebändigers von der Salzburger Pferdeschwemme und auch Masken der Tragödie und der Komödie mit den Gesichtszügen von Max Reinhardt entdecken. An der Decke wurden zwei im Kunsthandel angekaufte alte Gemälde in drei neu angefertigte Stuckrahmen eingepasst. Die Gemälde zeigen den Erzengel Michael und die vier Evangelisten. Die Bibliothek ist in all ihren Teilen symmetrisch aufgebaut. Der Salzburger Tischler Anton Widerin schuf die Regale der Bibliothek, ihre Aufsätze, die Rundpilaster und Kapitelle und die Geländer der Galerie. Er fertigte Tische und ledergepolsterte Stühle für die Bibliothek und verkleidete auch das angrenzende Arbeitszimmer von Max Reinhardt mit einer Wandvertäfelung aus quadratischen und rechteckigen Feldern sowie vergoldeten Kapitellen und einem schrankartigen Vorbau. Seine metallenen Flügeltüren sind an den Innenseiten mit Darstellungen von sechs Engeln bemalt. Dieser Raum steht in der Tradition humanistischer „Studioli“ italienischer Renaissancefürsten.

Die Bibliothek enthielt etwa 15.000 Bände und war in 18 Abteilungen gegliedert. Die Abteilung „Deutsche Literatur“ beanspruchte ein gutes Drittel der Bibliothek, gefolgt von „Theaterliteratur“ und „Französische Literatur“ mit je etwa einem Achtel der Bibliothek und „Englische Literatur“ mit etwa einem Zehntel. 5 Johann Wolfgang Goethe und William Shakespeare waren eigene Regale gewidmet. Die Beschilderung der Buchregale entwarf Max Reinhardt selbst. Er beauftragte Gusti Adler, eine alphabetische Systematik der Bibliothek zu erarbeiten,Bücherauktionen zu besuchen und Bücher zu erwerben: Bitte sofort die Märchen der Brüder Grimm (und Hauff) möglichst in Deutsch besorgen zu lassen. Ebenso notwendig wäre eine gute Biographie über Benjamin Franklin. Auch alles, was über die Commedia dell’arte in den Bibliotheken zu haben ist, würde mich sehr interessieren.

So entdeckte Frau Adler in einem Berliner Antiquariat die Bibliothek des Burgschauspielers Joseph Lewinsky (1835–1907), den Max Reinhardt seit seiner Stehplatzzeit in Wien hoch verehrte. Diese Bibliothek wurde zum Kernstück der Bibliothek in Leopoldskron, denn sie umfasste alles, was Theater betraf: vor allem Hanswurst-Literatur, kostbare Erstausgaben alter Theaterstücke, Klassiker etc. Max Reinhardt besaß viele Werke über altes Volksgut, über die Commedia dell’arte, vollständige Ausgaben von Theaterstücken klassischer und zeitgenössischer Autoren in mehreren Sprachen, insbesondere Erstausgaben mit persönlicher Widmung sowie eine Sammlung wichtiger deutschsprachiger Theaterzeitschriften. Die Bücher der Leopoldskroner Bibliothek fanden nach dem Krieg ihren Weg in die Vereinigten Staaten von Amerika. Sie wurden von Reinhardts Söhnen im August 1969 zusammen mit Regiebüchern, Korrespondenzen und Aufzeichnungen ihres Vaters an die State University of New York at Binghamton verkauft.

75 Years in 12 Vignettes

With 75 years behind us and more than 40,000 Fellows in 170 countries, Salzburg Global obviously has many stories to tell. The following 12 vignettes have been selected not only for their ability to relate the history of the institution, but also to convey the unlikely symbiosis of a visionary enterprise, conceived at an American university that came to be situated in an eighteenth-century rococo palace in the heart of Europe with the goal of serving the global good.